Selbstverteidigung versus Kampfsport

Dieser Artikel ist ein Beitrag zur Blogparade von „Selbstverteidigung Beherrschen“.

Meine Erfahrungen mit Kampfkunst, Kampfsport und Selbstverteidigung

Ich bin mittlerweile in meinen 40ern und habe ein paar Jahre mit Kampfkunst und Selbstverteidigung verbracht. Dabei bin ich keiner von den Supererfahrenen. Meine Wände zieren keine Pokale oder Trophäen. Mir ging es auch nie um den kämpferischen Aspekt, eher um die Beweglichkeit und Ästhetik.

Deshalb fing ich auch relativ spät an, mit Mitte 20. Zu diesem Zeitpunkt war ich recht trainiert (Kraftsport, Ausdauer), aber unerfahren, was Kampf angeht. Durch Zufall wurde ich auf eine Wing Chun Schule aufmerksam. Dies ist eine sehr Technik affine Kampfkunst, die durchaus für Selbstverteidigung benutzt werden kann. Reaktion und Schnelligkeit stehen vor Kraft und akrobatischen Einlagen.

Es ist die Antwort auf minimaler Einsatz und maximaler Nutzen. Dies trainiere ich etwa 4 Jahre. Als die Schule aus privaten Gründen schloss, machte ich erst einmal ein paar Jahre lang nichts.

Durch Arbeitskollegen wurde ich wieder angesteckt. Vor allem der Selbstverteidigungsaspekt hat mich im Laufe der Jahre am meisten interessiert. Und im Sparring mit meinen erfahrenen Kollegen merkte ich, dass Wing Chun im realen Kampf wenig brachte. Die Entspanntheit, die notwendig für die flüssigen Bewegungen ist, kommt in einer stressigen Situation nicht auf. Man versteift und die flüssigen Bewegungen gehen zum Teufel.

Da kam ich auf die israelische Selbstverteidigungsart Krav Maga. Wer mehr wissen will, einfach mal googeln. Jedenfalls lernte ich da in einem Jahr mehr, als in 4 Jahren Wing Chun, was die Verteidigung anging. Grobe Bewegungen, Training unter Stress und stets der Gedanke der Flucht, nicht eines Siegs, waren mir realitätsnäher, als Wing Chun.

Spaß gemacht hat mir beides. Wer einfach nur entspannen möchte und seine Beweglichkeit und Körperbeherrschung verbessern will, der fährt mit Wing Chun sehr gut.

Selbstverteidigung versus Kampfsport

Kampfkunst, Kampfsport und Selbstverteidigung werden oft synonym verwendet. Leider kann man jahrelang Kampfsport betreiben, den schwarzen Gurt haben und bei einem Straßenkampf gnadenlos versagen. Im Folgenden möchte ich die Unterschiede zwischen einem Kampf im Ring und einem auf der Straße stichpunktartig auflisten.

  • Im Ring gibt es Regeln, auf der Straße nicht.
  • Die Gewichtsklassen sind nicht reglementiert. Wer es gewohnt ist, auf einen gleichschweren Gegner zu treffen wird Schwierigkeiten bei einem 60kg schwereren haben.
  • Es gibt keinen Schiedsrichter, der bei Gefahr den Kampf abbricht.
  • Die Gegnersituation ist extrem unklar: Versteckte Waffen? Komplizen? Erfahrung des Gegners? Drogen (Schmerzunempfindlichkeit)?
  • Bodenkampf bei mehreren Gegnern sinnlos
  • Beschützen von Begleitern (Familie)
  • Verletzungsrisiko deutlich höher (Fauststöße gegen Kopf können die Hand des Schlagenden schwer verletzen)
  • Kein Aufwärmen möglich
  • Überraschungsmoment auf Seiten des Gegners
  • Unvorteilhafte Kleidung (enge Hose, Winterkleidung, etc)

Die Zielsetzung ist in beiden Fällen absolut gegensätzlich: Im Ring will ich gewinnen. Ich will den Gegner zu Boden bringen oder nach Punkten siegen. Bei der Selbstverteidigung ist das oberste Ziel: Ich will überleben. Und bevor es zu einem Kampf kommt, ist Deeskalation sinnvoll und eine Flucht, wenn möglich. Bei einer körperlichen Auseinandersetzung hat man absolut nichts zu gewinnen (es gibt keine Pokale) und viel zu verlieren.

Deshalb ist oft die Einstellung eines Kampfsportlers völlig kontraproduktiv: Flucht sollte die oberste Zielsetzung sein, nicht der Kampf.

Zusammenfassung

Wer mit Kampfsport, Kampfkunst oder Selbstverteidigung anfängt, sollte sich klar sein, was er machen will. Erst wenn das Ziel klar ist, sollte man sich entsprechend entscheiden. Möglichst viel ausprobieren ist auf jeden Fall sinnvoll. Gerade in den traditionellen Kampfkünsten und Kampfsportarten wird eine falsche Sicherheit vermittelt, die eine Kampfsportart auf der Straße einfach nicht bietet im Vergleich zu einem System, dass auf Selbstverteidigung ausgelegt ist. Wer nur fit bleiben möchte, kann auch im Garten arbeiten und so ausreichend Bewegung bekommen.